Digitale-Dienste-GesetzMehr Personal für das Bundeskriminalamt unterm Weihnachtsbaum

Noch im Dezember will die Regierung einen Entwurf des Gesetzes für digitale Dienste beschließen. Erstmals beziffert sie nun, wieviel die Umsetzung des DSA kosten wird. Mehr Geld und Personal gibt es vor allem für das Bundeskriminalamt.

Für die Plattformaufsicht ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser zwar nicht zuständig, dennoch profitiert das Bundeskriminalamt besonders stark. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Christian Spicker

Rechtzeitig fertig wird es wohl nicht mehr. Aber Stück für Stück nähert sich die Ampelkoalition einem fertigen Digitale-Dienste-Gesetz (DDG). Nach langwierigen Verhandlungen sollen alle Ministerien dem Entwurf aus dem Haus des Digitalministers Volker Wissing (FDP) ihren Segen gegeben haben. Die Verabschiedung durch das Kabinett ist noch im Dezember vorgesehen, womöglich Mitte dieser Woche.

Selbst wenn der Kabinettsbeschluss wie erhofft in den kommenden Tagen klappt, stehen danach weitere Beratungen im Bundestag an. Angestrebt wird deshalb ein eilbedürftiges Gesetzgebungsverfahren. Endgültig beschlossen könnte die deutsche Umsetzung des europäischen Digital Services Act (DSA) vom Bundesrat schließlich Ende März – rund einen Monat nach der eigentlich festgelegten Frist. Dennoch ließ sich etwa die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner in einer ersten Reaktion zu einem „Hallelujah!“ hinreißen. Als Vorsitzende des Digitalausschusses wird sie den Entwurf durch den Bundestag begleiten, vorgesehen ist unter anderem eine Anhörung von Expert:innen.

Mit dem DSA hatte die EU die Regeln im digitalen Raum überarbeitet. Damit will sie ein sicheres Online-Umfeld gewährleisten, Online-Anbieter stärker in die Pflicht nehmen und zugleich die Rechte von Nutzer:innen schützen. Für sehr große Online-Dienste oder Suchmaschinen wie Facebook oder Google die Regeln jetzt schon, alle anderen Anbieter – und die nationalen Gesetzgeber – müssen bis Mitte Februar nachziehen. Netzpolitik.org liegt eine weitgehend fertige Fassung des Entwurfs vor, die wir ausnahmsweise nicht veröffentlichen können.

Keine Durchsetzung ohne Aufsicht

Herzstück des Gesetzes ist vor allem die Klärung der Aufsichtsfrage, im Pflichtenheft stehen aber auch Details zur zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet. Dort soll das Bundeskriminalamt (BKA) künftig Hinweise auf Straftaten im Netz entgegennehmen, die von Online-Diensten aufgespürt und übermittelt wurden. Im Vergleich zum Entwurf, den das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Sommer veröffentlicht hatte, ist zudem die Rolle der Zivilgesellschaft gestärkt, die die künftige Aufsichtsbehörde unterstützen soll. Entschärft wurde zudem eine Passage, die womöglich die berüchtigte Störerhaftung zurückgebracht hätte.

Dass der Bundesnetzagentur (BNetzA) die Rolle der Koordinierungsstelle für digitale Dienste zufallen wird, steht schon länger fest. Dort sollen die Fäden der Aufsicht über tausende Anbieter zusammenlaufen, allein die Anzahl der direkt erfassten Hostingdiensteanbieter beläuft sich auf rund 2.500, schätzen die BNetzA und das Statistische Bundesamt. Auch für einen sehr großen Anbieter ist die deutsche Behörde und insbesondere die EU-Kommission zuständig. Gemeint ist wohl der Berliner Versandhändler Zalando, der sich derzeit juristisch gegen die Einstufung als sogenannte VLOP (Very Large Online Platform) wehrt.

Außerdem soll die Koordinierungsstelle als zentrale Anlaufstelle auch für Beschwerden fungieren, die sie nach Brüssel oder, dem weiterhin geltenden Herkunftslandprinzip nach, in das Sitzland des jeweiligen Online-Anbieters weiterleitet. Wenn also jemand beispielsweise einen fragwürdigen Tweet auf Twitter (das nun X heißt) meldet und anschließend mit der Moderationsentscheidung nicht zufrieden ist, kann sich auf Deutsch an die hiesige Koordinierungsstelle wenden. Als „One-Stop-Shop“ soll sie sich über das gesamte Beschwerdeverfahren hinweg um das Anliegen kümmern.

Das hat Folgen für den Personalaufwand. Rund 150 Stellen sind derzeit für die Aufsicht eingeplant, kosten soll dies insgesamt knapp 13 Millionen Euro jährlich – wobei beim Bundesamt für Justiz (BfJ) gleichzeitig knapp 20 Stellen wegfallen. Letzteres hatte bislang das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vollstreckt, das nun weitestgehend vom DSA ersetzt wird. Außer den noch laufenden Verfahren, etwa Bußgeldverfahren, die das Amt noch zu erledigen hat, fällt dem BfJ künftig keine Rolle in der Plattformaufsicht mehr zu.

Landesmedienanstalten mischen mit

Allein bleibt die BNetzA und ihre Koordinierungsstelle indes nicht. Für bestimmte Aspekte von Online-Werbung soll weiterhin der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zuständig sein. Deutlich umstrittener war bis zuletzt der Jugendschutz. Auf der einen Seite stand der Wunsch, den Bereich bereits mit der Materie vertrauten Behörden wie den Landesmedienanstalten zu überlassen und somit auch verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen. Auf der anderen Seite gibt es Sorgen vor einer zersplitterten Aufsicht, wenn zu viele Ämter mitmischen. Bisherige Gesetzesentwürfe hatten diesen Konflikt nicht restlos aufgelöst.

Die Lösung soll nun so aussehen: So soll die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) den Anbietern dabei auf die Finger schauen, ob sie Minderjährige auf ihren Diensten ausreichend schützen. Zugleich öffnet der BMDV-Entwurf nun doch die Tür für die Landesmedienanstalten: Wenn es um Maßnahmen nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geht, „können die Länder nach den medienrechtlichen Bestimmungen eine zuständige Stelle für den Jugendmedienschutz benennen“, schlägt die Regierung vor. Es ist also gut vorstellbar, dass etwa die Landesmedienanstalt NRW weiter ihren Kreuzzug für Ausweiskontrollen auf Pornoseiten führen kann.

Daneben benennt der Entwurf noch weitere Behörden, mit denen die Koordinierungsstelle zusammenarbeiten muss: allen voran das Bundeskartellamt sowie das Bundeskriminalamt (BKA). Auch Bundesministerien können innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche Verbindungsschnittstellen zur Koordinierungsstelle einrichten, heißt es im Gesetzentwurf. Damit sollen eingehende Beschwerden gleich an die jeweils zuständigen Behörden weitergeleitet werden.

Der Regulierungsexperte Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung sieht das Funktionieren der Beschwerdestelle als „Gradmesser des Gesetzes“. Hier werde sich zeigen, ob die Zusammenarbeit der Behörden wirklich funktioniert und Verbraucher:innen tatsächlich Ergebnisse sehen. „Das DSA-Beschwerdemanagement kann auch schlecht laufen, wenn es nur eine Behörde gäbe“, sagt Jaursch. Aber je mehr Behörden involviert seien, desto wichtiger werde eine sehr gute Abstimmung und Arbeitsteilung.

BKA rüstet auf

Erheblicher Aufwand dürfte auf das Bundeskriminalamt (BKA) zukommen, rechnet die Regierung nun erstmals konkret vor. Schon das NetzDG hatte das BKA eigentlich dazu verpflichtet, eine Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet einzurichten. Dorthin sollten Online-Dienste mutmaßlich strafbare Inhalte melden, Gerichte hatten dem jedoch einen Riegel vorgeschoben. Dies findet nun ein Ende, da die juristische Grundlage dafür wegfällt und der DSA ähnliche Bestimmungen enthält.

Mittelfristig entstehe ein Personalbedarf von gut 450 Stellen, um mit den erwarteten 720.000 Meldungen umzugehen, schätzt das BKA. Das würde auf jährliche Kosten von rund 44 Millionen Euro hinauslaufen, auch wenn es sich um eine grobe Schätzung handle. Besser beurteilen lässt sich wohl, was die neue IT-Umgebung zur Bearbeitung der eingehenden Meldungen einmalig kosten wird. Diese soll mit rund 21 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Die Aufstockung beim BKA sieht Svea Windwehr von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) „kritisch“, allein wenn man sich die Diskrepanz zwischen dem vorgesehenen Budget für die BNetzA und das BKA ansehe. Auch starte der Gesetzentwurf nicht den Versuch, die „Ungenauigkeit des Artikel 18 aufzulösen“. In diesem schreibt der DSA die Übermittlungspflicht fest. Grundsätzlich dürfte die Regelung „auf eine massenhafte Ausleitung von Daten hinauslaufen“, sagt die Regulierungsexpertin – was Strafverfolgungsbehörden letztlich sogar schaden könnte, sollten sie mit zu viel Datenmaterial überflutet werden.

Zivilgesellschaft im Beirat aufgewertet

Einige Unklarheiten löst der Gesetzentwurf hingegen beim Beirat auf, der die Koordinierungsstelle beraten und unterstützen soll. Nun ist genau festgelegt, wie sich der Beirat zusammensetzen soll: acht Mitglieder sollen aus der Zivilgesellschaft, einschließlich Verbraucherverbänden, kommen, und jeweils vier Mitglieder aus der Wissenschaft und aus Wirtschaftsverbänden. Unternehmen können ausdrücklich nicht Mitglieder des Beirates sein. Allerdings bleibt die Rolle des Gremiums weiterhin etwas unklar. Was bespielsweise mit den Empfehlungen, die der Beirat erarbeiten soll, geschehen soll, bleibt offenbar allein der Koordinierungsstelle überlassen.

Endgültig geklärt dürfte das Schicksal der Störerhaftung sein – die bleibt nun doch abgeschafft, das Schlupfloch aus dem früheren BMDV-Entwurf wurde geschlossen. Sonst hätte dies eine Rückkehr in die Zeit vor 2017 bedeutet, in der es „wegen der unverhältnismäßigen Haftungsrisiken nicht möglich war, offene Netze zu betreiben“, sagt Joschka Selinger von der GFF. „Dass die Bundesregierung schnell nachgebessert hat, deutet darauhin, dass es sich um ein redaktionelles Versehen im Referentenentwurf handelte.“

2 Ergänzungen

  1. “Es ist also gut vorstellbar, dass etwa die Landesmedienanstalt NRW weiter ihren Kreuzzug für Ausweiskontrollen auf Pornoseiten führen kann.”

    Evidenzbasierte Politik sieht also so aus! Der Jugendschutz wurde nie evaluiert und das hat auch seine Gründe. Es zerstört die Illusion man würde Jugendliche schützen.

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